Vergangenheit lebendig machen

    Die Schweizer Autobiographie-Awards für 2021 gehen in die Kantone Zürich, Bern, Aargau/Luzern und St. Gallen. Der erste Preis geht an Beatrice Hofmann, der zweite Preis geht an Ursula Trunz, Edwin Felder und Rut Sigg.

    (Bild: pixabay) Der 5. Schweizer Autobiographie-Award ging gerade über die Bühne. Bis am 27.11.2022 können neue Geschichten eingereicht werden.

    Die (nichtkommerzielle) Autobiographie-Internetplattform meet-my-life.net und das Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK) der Universität Zürich haben die Auszeichnungen des 5. Schweizer Autobiographie-Award vergeben. Zur Auswahl standen dieses Jahr über 220 Autobiographien, in der engeren Wahl über 100. Alle Texte und auch die vollständige Laudatio sind gratis online zu lesen auf meet-my-life.net. Neben den Urkunden und dem Preisgeld von 2’000 Franken für den 1. Preis erhalten alle Ausgezeichneten ein edles Schreibgerät von Faber-Castell.

    Die Wahl der Jury – bestehend aus den Kultur- und Literaturwissenschaftlern Prof. Dr. Christine Lötscher, Prof. Dr. Alfred Messerli, Dr. Peter Büttner – fiel für den 1. Platz auf die dramatisch geschilderte Lebensgeschichte der in Wädenswil ZH wohnhaften Beatrice Hofmann (1944) mit dem Titel: «Mein rastloses und wildes Leben kommt allmählich zur Ruhe». Beatrice Hofmanns Offenlegung ihres schwierigen und komplizierten Lebens ist extrem mutig und emotional packend. Wie eines der Jury-Mitglieder es ausdrückte: «Ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen, so hat mich diese Offenheit und dieser Mut gepackt.» Zur Vereinnahmung gehört auch der urwüchsige, gradlinige Schreibstil ohne «Politur», Kitsch und Schnörkel.

    Beatrice Hofmann ist seit 1969 im Kanton Zürich zu Hause, seit 2007 in Wädenswil. Bis zur 1. Primarschulklasse lebte sie in Zofingen AG. Durch einen Zeitungsartikel stiess sie auf meet-my-life.net, registrierte sich und begann einfach drauflos zu schreiben.

    Drei zweite Preise
    Analog zu den Vorjahren wurden von der Jury drei weitere bemerkenswerte Autobiographien ex aequo im 2. Rang ausgezeichnet. Es handelt sich um die Biographien von Ursula Trunz, Edwin Felder und Rut Sigg.

    «Zoff zom Zmorge – und andere Dramen eines ganz normalen Lebens»: Ursula Trunz, St. Gallen (1957), schreibt über ihren Text: «Was ist Glück? Wann kommt es? Und was kommt danach? Noch wichtiger: Was kam nach dem Zweiten Weltkrieg? Welche inneren und äusseren Konflikte habe ich persönlich ausfechten müssen? – Jede meiner mehreren Dutzend Textminiaturen erzählt eine Episode aus meinem Leben. Viele von ihnen schlagen einen Bogen ins Heute, der beim Lesen zu neuen Fragen führen mag. Vielleicht auch zu Antworten.» Schon die ersten Sätze ihrer Biographie lassen die geübte und witzige Schreiberin, die lebenslang in ihrem Wunschberuf Journalistin gearbeitet hat, erkennen.

    «De Henderländer e ganz spezielli gattig Lüt»: Edwin Felder hat seine Jugend- und Schuljahre im Städtchen Willisau verbracht. Von da aus zog es ihn als Koch und Gastronomieberater in die weite Welt. Seit der Pensionierung im Jahre 2014 bezeichnet er sich als «Schreiberling». Auf meet-my-life.net hat er bereits vier seiner interessanten autobiographischen Texte publiziert. Erstmals hat die Jury einen in einem Schweizer Dialekt geschriebenen Text ausgezeichnet. Über seinen Luzerner «Hinterländer-Dialekt» bemerkt Edwin Felder fast schon etwas hämisch, dass ihn die «Chnuschtis» aus den anderen Kantonsteilen und in der Kantonshauptstadt kaum verstehen würden. Als Hilfestellung stellt er den Lesenden deshalb ein ausführliches und liebevoll aufbereitetes Glossarium der verwendeten Dialektausdrücke zur Verfügung!

    «Wolfsblut – Zigeunerblut»: Rut Sigg (1942), Untersteckholz BE, schrieb ihre Autobiographie in der dritten Person und gibt Einblick in ihren inneren Werdegang bis hin zu aussergewöhnlichen spirituellen Erfahrungen im Buddhismus. Farbig wird das Leben von Lilia in der Tradition eines Entwicklungsromans geschildert. Ihre Jugend- und Schuljahre verbrachte sie in Basel und besuchte anschliessend das Lehrerseminar in Aarau. Es folgten Theater- und Gesangsausbildungen in Zürich.

    Die nächste Preisverleihung findet am 6. Februar 2023 an der Universität Zürich statt. Als Ehrengast für den traditionellen Podiumstalk hat EMIL Steinberger zugesagt. Alle bis am 27. November 2022 auf meet-my-life.net publizierten Autobiographien stehen zur Wahl.

    pd

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