«Mehr Geld für Prävention und Aufklärung»

    Schätzungsweise sind in der Schweiz rund 500’000 Personen an Diabetes mellitus erkrankt, davon sind rund 40’000 Typ-1-Diabetiker. Weltweit sind es rund 425 Millionen Menschen. Seit 50 Jahren vertritt der Verein diabetesaargau die Interessen von Diabetesbetroffenen aller Typen im Kanton Aargau. Präsidentin Silvia Grossenbacher über die Krankheit, eine sinnvolle Therapie und das Programm zum runden Geburtstag.

    (Bild: K.Kayar) Silvia Grossenbacher, Präsidentin des Vereins diabetesaargau wünscht sich, «dass Diabetes gesundheitspolitisch einen höheren Stellenwert gewinnt.»

    Wie ist die Patientenorganisation «diabetesaargau» entstanden?
    Silvia Grossenbacher: Die «Aargauer Diabetesgesellschaft», wie die Organisation früher hiess, wurde 1969 von engagierten Betroffenen und Ärzten gegründet mit dem Ziel, die Interessen von Menschen mit Diabetes mellitus zu vertreten und ihnen trotz Krankheit eine hohe Lebensqualität zu verschaffen.

    «diabetesaargau» feiert dieses Jahr ihr 50-Jahr-Jubiläum. Wie hat sich die Patientenorganisation im Verlauf der Jahre entwickelt?
    Die Organisation startete 1969 mit 184 Mitgliedern und entwickelte sich im Lauf der Jahre stetig weiter auf fast 2000 Mitglieder im Jahr 2004. Derzeit zählt der Verein etwas mehr als 1500 Mitglieder. Er trägt eine Geschäfts- und Beratungsstelle in Aarau und bietet ein vielfältiges Jahresprogramm.

    Welche Dienstleistungen bietet «diabetesaargau» für die Betroffenen?
    Primär bieten wir Diabetesfachberatung und Ernährungsberatung. Die Kosten der Beratung werden, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt, von den Krankenkassen übernommen. Daneben können Betroffene Materialien für die Diabetestherapie telefonisch, auf der Geschäftsstelle oder im Online-Shop zu günstigen Preisen beziehen.

    Wie sieht eine gute Beratung der Diabetestherapie aus?
    Eine gute Beratung stellt den von Diabetes betroffenen Patienten oder die Patientin und nicht die Krankheit ins Zentrum. Sie setzt bei den Ressourcen und den Bedürfnissen der Betroffenen an und klärt die individuellen Möglichkeiten im Umgang mit der Krankheit ab, unterstützt diese und zeigt auf, wie ein Veränderungsprozess gelingen kann.

    (Bild: D.Wirsch) Eine gute Beratung stellt den von Diabetes betroffenen Patienten oder die Patientin und nicht die Krankheit ins Zentrum.

    Was ist Diabetes und wer kann daran erkranken?
    Diabetes ist eine Stoffwechselkrankheit, die grundsätzlich jeden und jede treffen kann. Bei Diabetes mellitus Typ 1 (ca. 10 Prozent der Betroffenen) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die bisher unheilbar ist und die Betroffenen lebenslang auf externe Zufuhr von Insulin angewiesen macht. Bei Diabetes mellitus Typ 2 spielt meist das Wohlstandssyndrom (Bluthochdruck, Adipositas, Fettstoffwechselstörung) eine wichtige Rolle und Bewegungsmangel verschärft das Erkrankungsrisiko. Der Schwangerschaftsdiabetes entsteht in erster Linie aufgrund von Hormonveränderungen und verschwindet nach der Geburt meist wieder.

    Was ist wichtig bei der Diabetestherapie?
    Zwei wichtige Pfeiler sind gesunde, ausgewogenen Ernährung sowie regelmässige Bewegung. Oft ist eine medikamentöse Therapie nötig. Diese setzt Wissen um die Reaktionsweisen und Bedürfnisse des eigenen Körpers und angemessene Handlungen voraus. Das macht den Zugang zur Beratung so wichtig. Die Blutzuckermessung hilft, im Alltag die Werte zu beobachten und gegebenenfalls angemessen zu reagieren.

    Wie hat sich die Diabetes-Therapie im Zeitalter der Hightech-Medizin entwickelt?
    Die Blutzuckermessgeräte sind klein, handlich und «smart» geworden, die Medikamente (insbesondere Insuline) sind heute näher am Wirkprofil des körpereigenen Insulins. Für von Diabetes Typ 1 Betroffene kann eine Insulinpumpe eine Alternative sein zum Spritzen. Die neueste Entwicklung und eine echte Erleichterung für die Betroffenen, ist sicher der Übergang zur kontinuierlichen Glukosemessung mittels Sensoren, die den Betroffenen das häufige Stechen zur Blutzuckermessung meist erspart.

    In der Schweiz sind rund 500’000 Menschen an Diabetes erkrankt, wie viele sind es im Kanton Aargau?
    Die genannte Zahl beruht auf einer Schätzung. Nehmen wir sie als Basis und schätzen proportional zur Bevölkerung im Kanton Aargau, so ergibt sich eine Zahl von über 40’000.

    Führt unsere Ernährung eher zu einer Zunahme der Krankheit?
    So generell kann man das sicher nicht sagen. Zwar besteht bei Übergewicht ein erhöhtes Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Und Zucker- und Fettgehalt in vielen Nahrungsmitteln ist gewiss nicht zuträglich. Letztlich kommt es jedoch stark auf individuelle Faktoren (erbliche Vorbelastung, Lebensstil) und das Bewegungsverhalten an, ob jemand erkrankt oder nicht.

    Wie kann man Diabetes vorbeugen?
    Eine gesunde, ausgewogene Ernährung und viel Bewegung sind sicher angezeigt, wenn man zur Prävention eines Diabetes Typ 2 etwas tun will. Diabetes Typ 1 dagegen ist leider durch Verhaltensanpassung nicht vermeidbar. Wichtig ist auch die Früherkennung durch regelmässige Blutzuckerkontrolle. Viele an Diabetes erkrankte Menschen wissen nämlich gar nicht, dass sie krank sind, weil Diabetes während langer Zeit weitgehend symptomlos bleiben kann.

    Wie wird das 50-Jahr-Jubiläum gefeiert?
    Es gibt verschiedene Aspekte. Am 16. Mai fand die 50. Generalversammlung in festlichem Rahmen statt. Beteiligt waren die Aargauer Gesundheitsdirektorin Franziska Roth und der Präsident der Dachorganisation «diabetesschweiz». Im Herbst wird «diabetesaargau» am MAG in Aarau teilnehmen und dort im Sinne der Früherkennung Blutzuckermessungen anbieten. Zudem haben wir ein besonders reichhaltiges Jahresprogramm mit Vorträgen in Aarau und Baden zusammengestellt. Details dazu findet man auf der Website diabetesaargau.ch.

    Was wünschen Sie sich für die nächsten 50 Jahre?
    Ich wünsche mir, dass Diabetes gesundheitspolitisch einen höheren Stellenwert gewinnt. Das müsste bedeuten, dass unsere Dienstleistungen von den Krankenkassen kostendeckend vergütet werden und dass mehr Geld für die Prävention und Aufklärung investiert wird.

    Interview Corinne Remund


    Dibatesfachberatung

    Folgende Themen stehen in der Diabetesfachberatung im Zentrum:

    • Grundwissen über die Krankheit und Behandlungsmöglichkeiten
    • Durchführen und Interpretieren von Selbstkontrollen
    • Instruktion zu Injektionstechniken und Beratung zu Injektionshilfen
    • Begleitung zu Nutzerinnen und Nutzer von Pumpen und Geräten zur kontinuierlichen Glukosemessung
    • Information zu Gefahren der Stoffwechselentgleisungen sowie deren Verhütung resp. Behandlung
    • Hilfestellung bei der Integration in Krisensituationen und schwierigen Phasen der Krankheitsbewätigung
    • Hinweise zur geeigneten Fusspflege
    • Hilfe zur Selbsthilfe in Situationen wie Sport, Reisen, Autofahren u.a.

    Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Ernährungs- bzw. Diabetesberatung, wenn sie ärztlich verordnet ist und durch eine Fachperson mit anerkannter Ausbildung ausgeführt wird.

    Infos: www.diabetesaargau.ch oder www.diabetesschweiz.ch

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