Ein Hochstamm-Paradies im Fricktal

    Martin Erb ist Hochstammobstbauer in Frick. Ich traf ihn und seine Partnerin Cornelia «Flumi» Brennwald zum Gespräch und Hofrundgang. Ich wollte von ihnen wissen, was sie denn so anders machen, dass auch diverse Naturschutzvereinigungen den Hut vor ihnen ziehen und mit ihnen zusammenarbeiten.

    (Bilder: zVg) Martin Erb

    Martin und Flumi, wer seid ihr?
    Martin: Ich bin hier aufgewachsen, Spross einer Familie, die seit mindestens 200 Jahren den Hof bewirtschaftet. Ich wollte schon immer Bauer werden, lernte zuerst Gärtner, dann machte ich eine Zusatzausbildung zum Baumpfleger und habe einen eigenen Betrieb gegründet, bis ich dann zehn Jahre später den Hof meiner Eltern übernahm und ihn 1996 zum Biobetrieb zertifizieren liess. Das war damals keine grosse Sache, die Eltern wirtschafteten schon vorher naturnah. Dann haben wir auf Grund einer Reise in die Türkei, wo Chriesisaft ein begehrtes Volksgetränk ist, mit Kirschen zu experimentieren begonnen.

    Cornelia «Flumi» Brennwald

    Flumi: Ich stamme aus Basel, war ursprünglich Arztgehilfin und kam 1993 ins Fricktal, am hiesigen Open-Air lernten wir uns kennen.
    Martin: Wir bearbeiten insgesamt zwölf Hektar Land, sechs davon gepachtet, das bietet Platz für rund Tausend Hochstamm-Obstbäume. Pro Jahr setzen wir zwanzig bis hundert junge Bäume. Aus diesem Obst produzieren wir hauptsächlich Säfte. Der Hof ist mit seinem Saftangebot ein kleiner Nischenplayer und beliefert einige Bioläden und das Regiogestell bei Coop Aare nit rund 15 Filialen. Wir bieten insgesamt 30 verschiedene Produkte an, darunter 10 Säfte oder Derivate davon. Mit unseren 300 Stellenprozenten bieten wir normalerweise fünf, in der Erntezeit bis zu zehn Leuten Arbeit.

    Was macht ihr Spezielles zur Förderung der Artenvielfalt?
    Martin: Alles, was wir können: Steinlesehaufen, Bienenhotel, alte Bäume stehen lassen usw. Wir pflegen rund 120 verschiedene Baumsorten, alles Hochstämmer, auch Pro-Specie-Rara-Sorten. Wir arbeiten unter kantonalen Ökoverträgen im Rahmen von Labiola, die Hälfte der Flächen weisen Q2 Niveau auf, d.h. sie haben einen hohen ökologischen Wert. Hochstammobstbäume sind ein Eldorado für Insekten, Kleinsäuger und Vögel. Ein geringer Teil der Flächen reservieren wir für Experimente, wo wir z.B. neue Sorten ausprobieren. An Pflanzenschutzmitteln setzen wir zwei Mal jährlich ein verdünntes Kupferpräparat (ein Zehntel der erlaubten Menge) zur Pilzprophylaxe ein, Jungbäume müssen bei Bedarf mit einem Ölpräparat vor Läusen geschützt werden. Und immer auch mit Kontrollparzellen, um den Effekt zu überprüfen. Äpfel und Birnen spritzen wir gar nicht. Schwierigkeiten haben wir eigentlich nur mit den vorgeschriebenen Schnittzeitpunkten fürs Heu, so wird bei uns eigentlich zu viel auf einen Schlag gemäht. Da könnte man mit den Behörden zusammen bessere Modelle entwickeln, die der Artenvielfalt zuträglicher wären.

    Wirtschaft und Natur im Einklang

    Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Jurapark?
    Flumi: Wir schätzen die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit des Juraparks sehr, gute Führungen, gute Aufklärungsarbeit. Und vor allem ist das Werbung, die wir uns nicht leisten könnten. Allerdings ist es auch nicht ganz einfach, einerseits ist das Label mit 300 Franken pro Jahr teuer für uns, und andererseits gefällt uns die Idee der Vereinheitlichung der Produktgestaltung nicht. Wir pflegen unsere eigene Linie schon lange.

    Die Säfte werden für den regionalen Markt produziert

    Wenn ihr Wünsche an die Politik insbesondere im Zusammenhang mit der Agrarreform anbringen könntet, welche wären dies? Wo drückt der Schuh?
    Martin: Drei Dinge, an denen wir uns stossen: Die Steuerbehörde begegnet uns allzu oft mit Misstrauen. Die denken, da müssen doch noch irgendwelche Goldvreneli vorhanden sein, so kann man doch nicht leben. Aber eben, man kommt auch mit wenig durch, wenn man nicht nur Geld im Kopf hat. Dann das bäuerliche Bodenrecht sollte endlich revidiert und den aktuellen Lebensformen angepasst werden. Man könnte meinen, es sei aus Gotthelfs Zeiten. Wenn ich an die Nachfolgeregelung denke, sollte sich der Bund deutlich weniger einmischen. Ein weiteres Problem sind die allzu grossen Bauzonen, die auch wertvolles Landwirtschaftsland umfassen und deren hohe Landpreise die Bauern zum Verkauf verführen. All das flache Land um Frick, das jetzt mit Wohn- und Industriebauten verbaut wurde – das waren mal Obstgärten und Fruchtfolgeflächen, bevor es von den Bauern verkauft wurde. Die flächengebundenen Direktzahlungen des Bundes verstärken zudem den Kampf zwischen den Bauern um jeden Quadratmeter.

    Nach unserem Gespräch werde ich in die Produktionsräume und dann aufs Land zu den Bäumen geführt. Hier erlebe ich Martin, wie er leibt und lebt, hier passt er hin mit seiner sparrigen Frisur. Ich sehe sehr viele Nistkästen in den Baumreihen, Gartenrotschwanz und ein Turmfalkenpaar wohnen hier. Es gibt grosse, rege besuchte Wildbienenhotels und zerfallende Baumstrünke, Steinlesehaufen, riesige Asthaufen – mein Biologenherz hüpft vor Freude. Martin weiss zu fast jedem Baum eine Geschichte, kennt seine Ansprüche, weiss, was ihnen guttut. So könnte man auch Land bebauen. Getragen von der Sorge um die Mitwelt. Chapeau.

    Ruedi Frey,
    Biologe, Mitbegründer der
    Agrarökologie an der ETH Zürich

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